Recht interessant

Sozialplanabfindung höher als vorher unterschriebener Abfindungsvertrag

von Martin Vogel

Betriebsschließungen stehen an, und der Arbeitnehmer nimmt das Angebot des Arbeitgebers auf einen Auflösungs- und Abfindungsvertrag an. Wenige Tage danach wird der Sozialplan veröffentlicht, mit mehrfach höheren Abfindungsbeträgen - gibt es noch eine Chance?

Nein - hat jedenfalls das Arbeitsgericht Leipzig in einem erstinstanzlichen, (leider) rechtskräftig gewordenen Urteil vom 24.6.15 (4 Ca 202/15) entschieden. Der einmal unterzeichnete Aufhebungs- und Abfindungsvertrag sei endgültig, auch wenn ein neuer Sozialplan mit günstigeren Entschädigungsregeln schon kurz vor Unterzeichnung stand.

Konkret ging es darum: Ein überregionales Unternehmen (die Beklagte) hat in 2014 beschlossen, eine Niederlassung zu schließen, wo die Klägerin arbeitete. Es fanden Sozialplanverhandlungen statt, welche sich über viele Wochen hinzogen. Parallel dazu bot die Beklagte den Arbeitnehmern, welche sich vor Kündigung und vor Abschluß des Sozialplans einen neuen Arbeitsplatz suchen, Abfindungsverhandlungen an. Die Geschäftsleitung der Beklagten legte den Mitarbeitern währenddessen nahe, nicht auf die Vereinbarungen des Sozialplans zu warten und lieber zeitnah eine sog. Turboabfindung in Anspruch zu nehmen. Insbesondere ließ die Geschäftsleitung der Beklagten hausintern verbreiten, es sei nicht sicher, was nach den geheimen Verhandlungen im Sozialplan vereinbart werden würde. Die Klägerin suchte sich einen neuen Arbeitsplatz, nahm die sog. Turbo-Abfindung an und unterzeichnete einen Aufhebungsvertrag, ohne den Abschluß der Verhandlungen zum Sozialplan abzuwarten. Die Beträge für die Turboabfindung wurden prinzipiell nach der sog. Schaub'schen Faustformel für Abfindungen im Arbeitsrecht – nämlich ½ Bruttogehalt pro Beschäftigungsjahr ermittelt. Die Klägerin unterzeichnete den Aufhebungsvertrag. Aber nur 14 Tage später war der Sozialplan beschlossen mit Geltung für die Mitarbeiter, deren Arbeitsvertrag nach diesem Tage beendet wird (Stichtag). Die Sozialplanabfindung sah einen hohen Grundbetrag vor, der je Kind nochmal erheblich angehoben wurde. Die Klägerin hätte aufgrund des Sozialplans eine um über 40.ooo EUR höhere Abfindung erhalten und erklärte die Anfechtung des Aufhebungsvertrags wegen Täuschung.

Sie machte geltend, der Geschäftsleitung der Beklagten war durchaus klar gewesen, in welchen Größenordnungen sich die Abfindungen des Sozialplanes bewegen würden. Den Beschäftigten die zeitnahe Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu einem Bruchteil der späteren Sozialplanabfindung nahezulegen, kann als Täuschung bezeichnet werden, jedenfalls war es ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot. Insbesondere die Stichtagsregelung im Sozialplan, dh. der Ausschluss der Arbeitnehmer, welche kurz zuvor aufgrund der Betriebsschließungsankündigung der Beklagten das Unternehmen schon verlassen haben, könnte gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen und ist daher unwirksam.

Die Beklagte wendete ein, es sei nicht ersichtlich, inwieweit eine solche Pflicht zur Aufklärung und ein Anfechtungsgrund bestanden haben soll, da zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrag der Sozialplan von den Betriebsparteien noch nicht unterzeichnet war. Die Klägerin wendete ein und bot Zeugenbeweis dafür, dass die Details zum Zeitpunkt ihres Aufhebungsvertrages längst feststanden und berief sich daher auch auf Verschulden der Beklagten bei Vertragsschluss gem. §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB. Diese Vorschriften werden nämlich von §123 BGB nicht verdrängt.

Das Arbeitsgericht Leipzig jedoch wies die Klage ab, ohne Beweis zu erheben. Die Stichtagsregelung im Sozialplan sei wirksam vereinbart worden, die Klägerin fiel daher nicht mehr unter den Sozialplan. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt worden, da diejenigen Mitarbeiter wirksam ausgeschlossen werden konnten, die ihr Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag auf eigene Veranlassung (via Aufhebungsvertrag) beendet haben.

Auch sei die Beklagte vor Unterzeichnung des Sozialplans nicht gehalten gewesen, die Klägerin auf die Höhe der Sozialplanabfindung hinzuweisen; weswegen eine arglistige Täuschung gem. § 123 BGB ausschied. Auch Schadensersatzansprüche gem. §§ 280, 311, 241 BGB seien nicht ersichtlich.

Arbeitsgericht Leipzig, Urteil v. 24.6.15, 4 Ca 202/15

 

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