Recht interessant

Gebrauchtwagenkauf und Gewährleistungsausschluss

von Martin Vogel

Haftet der private Gebrauchtwagenverkäufer trotz Gewährleistungsausschlusses für Mängel nach Zusicherung von Unfallfreiheit trotz Vorschadens?

 

In einem interessanten Fall habe ich einen meiner Mandanten nach einem Autoverkauf gegen Regreßforderungen des Käufers verteidigt.

 

Mein Mandant hatte seinen Gebrauchtwagen privat unter Gewährleistungsausschluss verkauft und hierbei auf dem Kaufvertrag trotz eines nicht ganz unerheblichen Vorschadens das Kreuz bei „unfallfrei“ gesetzt.

 

Allerdings hatte mein Mandant den Käufer von dem streitbefangenen Frontschaden informiert und ihm auch Reparaturgutachten und Rechnung übergeben. Wenige Tage nach Verkauf und Übergabe des Fahrzeuges meldete sich der Käufer und verlangte Rückabwicklung wegen eines nach etwa 500 Kilometern festgestellten Schadens am Zylinderkopf – Kosten rund 5500 EUR. Er hatte ein Dekra-Gutachten machen lassen, wonach der Schaden aufgrund Überhitzung vermutlich seine Ursache in dem streitbefangenen früheren Frontschaden hatte, weil damals das Kühlsystem beschädigt wurde.

 

Mein Mandant lehnte ab und verwies auf den Gewährleistungsaussschluss. Der Käufer ließ reparieren und klagte den Schaden mit Gutachterkosten, Wertminderung und Nebenkosten vor dem Landgericht Leipzig ein. Er berief sich auf Täuschung wegen der im schriftlichen Vertrag zugesicherten Unfallfreiheit.

 

Mein Mandant jedoch erwiderte, dass man gemeinsam das Vertragsformular ausgefüllt hätte. Da es sich bei dem Vorschaden nur um einen nicht besonders großen Blechschaden an der Front gehandelt hätte, war man damals der Meinung gewesen, dass der Wagen im wesentlichen unfallfrei war. Überdies habe der Kläger (Käufer) auch das Reparaturgutachten vom Vorschaden nebst Reparaturrechnung erhalten. Diese Unterlagen jedoch – so behauptete der Kläger – habe mein Mandant nur versehentlich mit den Unterlagen übergeben. Er – der Kläger – habe sich das Gutachten erst später durchgelesen und jedenfalls bei Vertragsschluß von dem Vorschaden nichts gewusst. Mein beklagter Mandant habe ihn über die fehlende Unfallfreiheit getäuscht und der Haftungsausschluss wäre daher unwirksam.

 

Fraglich war daher, ob der den späteren Motorschaden berührende vertragliche Haftungsausschluss von dem nicht erwähnten Vorschaden betroffen sein konnte. Dazu müsste der verschwiegende Vorschaden die Ursache für den mangelhaften Motor und den späteren Motorschaden sein. Es konnte also nur ein sich aus dem angeblich verschwiegenen Vorschaden ergebender Mangel von der Unwirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses betroffen sein – also „soweit“ der verschwiegende Mangel reicht. Der Wortlauf des § 444 BGB ist eindeutig:

 

Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.

 

Der Gutacher des Käufers hatte dargelegt, dass wegen des Frontschadens das Kühlsystem in Mitleidenschaft gezogen und so letztlich der streitgegenständliche Motorschaden verursacht wurde. Also war die Tragweite der Durchbrechung des Haftungsausschlusses eine streitentscheidende Frage.

 

Auf diese interessante Frage kam es am Ende nicht mehr an: Denn mein Mandant fand noch ein paar vor dem Kauf gewechselte Emails, worin der klagende Käufer mit Hinweis auf den streitigen Vorschaden versuchte, den Preis zu drücken. Damit konnten mein Mandant die Kenntnis des Käufers vom Vorschaden bei Vertragsschluß beweisen.

 

Deswegen kam es auf die im schriftlichen Kaufvertrag (durch unzutreffendes Ankreuzen) „zugesicherte“ Unfallfreiheit nicht mehr an, da der Käufer erwiesenermaßen vom Vorschaden wusste. Der Gewährleistungsausschluss griff zu Gunsten des Verkäufers durch. Das Landgericht Leipzig - 4 O 581/20 - wies die Klage gegen meinen Mandanten ab, das Urteil ist rechtskräftig.

 

 

 

Wer erhält die Auszahlung einer gemeinsam finanzierten Lebensversicherung, die ursprünglich zur Absicherung eines gemeinsamen Kredits abgeschlossen wurde?

von admin

Wie war das mit dem Bezugsrecht aus einer Lebensversicherung zur Absicherung eines gemeinsamen Kredites ...

Die zwei Miteigentümer eines Mehrfamilienhauses nahmen einen gemeinsamen, endfälligen Kredit auf, der über eine Lebensversicherung des jüngeren Miteigentümers abgesichert wurde. Die Versicherungssumme wurde an die Bank abgetreten. Der andere Miteigentümer wurde für den Todesfall als Bezugsberechtigter eingesetzt. Die Versicherungsbeiträge wurden von beiden gemeinsam getragen.

In der Folge teilten die Miteigentümer das Haus in Eigentumswohnungen auf und teilten im Einvernehmen mit der Bank auch den Kredit in zwei Einzelkredite mit jeweiliger Haftentlassung des anderen. Die Lebensversicherung wurde nun zur Absicherung und endfälliger Tilgung beider (Teil-) Kredite weitergeführt, und die Beiträge weiterhin gemeinsam getragen. Die jährlichen Kreditzinsen der selbständigen Teilkredite zahlte freilich jeder Eigentümer selbst.

Dann verstarb der jüngere ehemalige Miteigentümer, welcher die Lebensversicherung abgeschlossen hatte. Die Lebensversicherung wurde nun beitragsfrei fortgeführt. Die erbende Witwe jedoch konnte die jährlich fälligen Kreditzinsen nicht mehr zahlen - der Kredit wurde notleidend. Die Bank kündigte und stellte den Kredit fällig. Die Eigentumswohnungen wurden verwertet und der Kredit abgelöst. Damit hatte sich bzgl. des einen, nun erledigten Teilkredites auch die Abtretung der Versicherungssumme erledigt.

Nach einigen Jahren wurde nun die Auszahlung der Lebensversicherung fällig. Die Versicherungsgesellschaft verwendete einen etwa hälftigen Teil gemäß der Abtretung zur Ablösung des noch valutierenden Kredites des anderen ehemaligen Miteigentümers. Auch der andere, nun freigeworden Teil der Versicherungssumme wurde an den bezugsberechtigten ehemaligen Miteigentümer ausgezahlt. Und der wollte das Geld auch behalten. Er meinte, es sei doch die Schuld der Witwe, dass sie den Teilkredit des verstorbenen ehemaligen Miteigentümers nicht bedient hätte. Es sei auch ihre Schuld, dass sie den Teilkredit und damit auch die Sicherungsabtretung erledigt hätte. Er sei nun mal bezugsberechtigt, und das sei seine "Gewinnchance". An die Vereinbarung mit dem verstorbenen ehemaligen Miteigentümer, dass die Versicherungssumme beiden Beteiligten zugute kommen sollte, fühlte er sich nicht mehr gebunden. Es interessierte ihn auch nicht, dass die Witwe ihr gesamtes Erbe verwertet hatte, um den geerbten Teilkredit zurückzuzahlen.

Das Landgericht gab der klagenden Witwe letztlich Recht: Denn der bezugsberechtigte ehemalige Miteigentümer sei insoweit ohne Rechtsgrund bereichert. In der Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Dresden differenzierte der 5. Zivilsenat sehr genau: Der bezugsberechtigte ehemalige Miteigentümer habe die freigewordene anteilige Versicherungssumme nicht ohne Rechtsgrund erlangt, denn er sei ja immerhin nach dem Versicherungsvertrag bezugsberechtigt. Aber er konnte die damalige Vereinbarung zum verstorbenen ehemaligen Miteigentümer nicht einfach wegwischen: Nach dem unstreitigen Wortlaut der Vereinbarung sollte "nach Tilgung der Kredite der etwa verbleibende Überschuss der Versicherungsleistung geteilt werden". Das nahm das OLG Dresden wörtlich und zum Anlass, hier den an den bezugsberechtigten ehemaligen Miteigentümer ausgezahlten "Überschuss" mit der Erbin zu teilen und den Parteien eine entsprechende Einigung vorzuschlagen - was die Parteien angenommen haben.

LG Leipzig 7 O 2917/17, OLG Dresden 5 U 867/18 (Vergleich)

mitgeteilt von RA Martin Vogel

Sozialplanabfindung höher als vorher unterschriebener Abfindungsvertrag

von Martin Vogel

Betriebsschließungen stehen an, und der Arbeitnehmer nimmt das Angebot des Arbeitgebers auf einen Auflösungs- und Abfindungsvertrag an. Wenige Tage danach wird der Sozialplan veröffentlicht, mit mehrfach höheren Abfindungsbeträgen - gibt es noch eine Chance?

Nein - hat jedenfalls das Arbeitsgericht Leipzig in einem erstinstanzlichen, (leider) rechtskräftig gewordenen Urteil vom 24.6.15 (4 Ca 202/15) entschieden. Der einmal unterzeichnete Aufhebungs- und Abfindungsvertrag sei endgültig, auch wenn ein neuer Sozialplan mit günstigeren Entschädigungsregeln schon kurz vor Unterzeichnung stand.

Konkret ging es darum: Ein überregionales Unternehmen (die Beklagte) hat in 2014 beschlossen, eine Niederlassung zu schließen, wo die Klägerin arbeitete. Es fanden Sozialplanverhandlungen statt, welche sich über viele Wochen hinzogen. Parallel dazu bot die Beklagte den Arbeitnehmern, welche sich vor Kündigung und vor Abschluß des Sozialplans einen neuen Arbeitsplatz suchen, Abfindungsverhandlungen an. Die Geschäftsleitung der Beklagten legte den Mitarbeitern währenddessen nahe, nicht auf die Vereinbarungen des Sozialplans zu warten und lieber zeitnah eine sog. Turboabfindung in Anspruch zu nehmen. Insbesondere ließ die Geschäftsleitung der Beklagten hausintern verbreiten, es sei nicht sicher, was nach den geheimen Verhandlungen im Sozialplan vereinbart werden würde. Die Klägerin suchte sich einen neuen Arbeitsplatz, nahm die sog. Turbo-Abfindung an und unterzeichnete einen Aufhebungsvertrag, ohne den Abschluß der Verhandlungen zum Sozialplan abzuwarten. Die Beträge für die Turboabfindung wurden prinzipiell nach der sog. Schaub'schen Faustformel für Abfindungen im Arbeitsrecht – nämlich ½ Bruttogehalt pro Beschäftigungsjahr ermittelt. Die Klägerin unterzeichnete den Aufhebungsvertrag. Aber nur 14 Tage später war der Sozialplan beschlossen mit Geltung für die Mitarbeiter, deren Arbeitsvertrag nach diesem Tage beendet wird (Stichtag). Die Sozialplanabfindung sah einen hohen Grundbetrag vor, der je Kind nochmal erheblich angehoben wurde. Die Klägerin hätte aufgrund des Sozialplans eine um über 40.ooo EUR höhere Abfindung erhalten und erklärte die Anfechtung des Aufhebungsvertrags wegen Täuschung.

Sie machte geltend, der Geschäftsleitung der Beklagten war durchaus klar gewesen, in welchen Größenordnungen sich die Abfindungen des Sozialplanes bewegen würden. Den Beschäftigten die zeitnahe Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu einem Bruchteil der späteren Sozialplanabfindung nahezulegen, kann als Täuschung bezeichnet werden, jedenfalls war es ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot. Insbesondere die Stichtagsregelung im Sozialplan, dh. der Ausschluss der Arbeitnehmer, welche kurz zuvor aufgrund der Betriebsschließungsankündigung der Beklagten das Unternehmen schon verlassen haben, könnte gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen und ist daher unwirksam.

Die Beklagte wendete ein, es sei nicht ersichtlich, inwieweit eine solche Pflicht zur Aufklärung und ein Anfechtungsgrund bestanden haben soll, da zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrag der Sozialplan von den Betriebsparteien noch nicht unterzeichnet war. Die Klägerin wendete ein und bot Zeugenbeweis dafür, dass die Details zum Zeitpunkt ihres Aufhebungsvertrages längst feststanden und berief sich daher auch auf Verschulden der Beklagten bei Vertragsschluss gem. §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB. Diese Vorschriften werden nämlich von §123 BGB nicht verdrängt.

Das Arbeitsgericht Leipzig jedoch wies die Klage ab, ohne Beweis zu erheben. Die Stichtagsregelung im Sozialplan sei wirksam vereinbart worden, die Klägerin fiel daher nicht mehr unter den Sozialplan. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt worden, da diejenigen Mitarbeiter wirksam ausgeschlossen werden konnten, die ihr Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag auf eigene Veranlassung (via Aufhebungsvertrag) beendet haben.

Auch sei die Beklagte vor Unterzeichnung des Sozialplans nicht gehalten gewesen, die Klägerin auf die Höhe der Sozialplanabfindung hinzuweisen; weswegen eine arglistige Täuschung gem. § 123 BGB ausschied. Auch Schadensersatzansprüche gem. §§ 280, 311, 241 BGB seien nicht ersichtlich.

Arbeitsgericht Leipzig, Urteil v. 24.6.15, 4 Ca 202/15

 

„... Dann werden wir richtig Freunde“ – fristlose Kündigung?

von Martin Vogel

Die Äußerung des Arbeitnehmers „... Dann werden wir richtig Freunde“ zum Arbeitgeber berechtigt denselben nicht zur fristlosen Kündigung.

Einen interessanten Fall, der an Aktualität nicht verloren hat, habe ich vor dem Arbeitsgericht Leipzig (3 Ca 5/10) im Jahre 2010 betreut. Der Mandant (im Folgenden Arbeitnehmer) war als Verkäufer bei einem Handelsgeschäft für Motorradzubehör angestellt und hatte in der Vergangenheit immer wieder stark verspätete Lohnzahlungen hinnehmen müssen. Nachdem der beklagte Händler (im folgenden Arbeitgeber) den Mandanten bereits ordentlich gekündigt hatte, geriet er während der Kündigungsfrist wieder mit der Lohnzahlung in Verzug, worauf der Arbeitnehmer ihm via SMS schrieb, wenn der Lohn nicht in zwei Tagen auf dem Konto sei „werden wir richtig Freunde“.

Der Arbeitgeber fühlte sich angeblich bedroht, kündigte erneut fristlos, bemühte wegen „schuldhafter Vertragsverletzung“ eine Vertragsstrafenklausel und zahlte überhaupt nichts mehr. Er führte an, der Arbeitnehmer habe als Verkäufer teilweise freundschaftliche Verhältnisse zu Kunden aus der auch durchaus gewaltbereiten Motorradszene aufbauen können und hätte sich in der Vergangenheit auch damit gebrüstet.

Nach Auffassung der Kammer jedoch stellte die Formulierung: „werden wir richtig Freunde“ keine Drohung gegen Person oder Eigentum des Arbeitgebers dar. Auch bei Unterstellung dessen insoweit bestrittener Behauptung zu angeblich gewaltbereiten Freunden im Bekanntenkreis des Arbeitnehmers konnte die Kammer nicht nachvollziehen, dass die besagte SMS nur als Bedrohung gegen Person oder Eigentum verstanden werden durfte.

Damit unterlag der Arbeitgeber sowohl mit seiner fristlosen Kündigung als auch mit seiner Vertragsstrafe und der Arbeitnehmer erhielt doch noch seinen Lohn.

Nach einem Fall, den das Arbeitsgericht Leipzig am 11.6.10, 3 Ca 5/10, entschieden hat.